Beitrag: Vertiefungs-Wissen zum Flow

Hier ein Beitrag für diejenigen, die sich mit dem Flow-Konzept von Csikszentmihalyi schon sehr gut auskennen und ihr Wissen vertiefen möchten.

Es fing mit einer einfachen Fragen einer Teilnehmerin aus “Schulfach Glück” an: “Sind Anforderungen und Fähigkeiten beim Flow eigentlich objektive oder subjektive Kriterien?” Bei der Erforschung einer Antwort durfte ich vieles über das Flow-Modell lernen. Das gebe ich gerne weiter 🙂

Die Kurzzusammenfassung:

  • Flow wird unterschiedlich definiert.
  • Es gibt konzeptuelle Herausforderungen bei der Untersuchung von Flow.
  • Dennoch ist es immer noch ein wundervolles Modell für den praktischen Einsatz z.B. in der Persönlichkeitsentwicklung.

Flow Basics

Charakteristika/Wahrnehmung
von Flow-Zuständen:

  • Aufmerksamkeit auf die Gegenwart und die aktuelle Tätigkeit
  • Keine/geringe bewusste Selbstreflexion
  • Kontrollempfinden
  • die Tätigkeit “geht gut von der Hand”, läuft fast von selbst
  • Verzerrte Zeitwahrnehmung
  • Intrinsische Motivation

Bedingungen für Flow:

  • “optimales” Anforderungs-/Fähigkeitsniveau – weder Über- noch Unterforderung
  • Klares Erreichungs-Ziel
  • Sofortiges Ergebnis-Feedback

Quelle: Sami Aduhamdeh (Verweis siehe unten)

Das klingt doch recht eindeutig, oder? Leider ist es nicht so einfach. Hier beginnt das Advanced-Level 😉 Nach einer Übersichtsstudie1 von Sami Aduhamdeh2 gibt es 24 verschiedene Wege, Flow zu definieren und einige Unklarheiten.

Unklarheiten im Flow-Konzept

Er identifiziert 3 Hauptprobleme

Ist Flow vs. Nicht-Flow ein Kontinuum (fließender Übergang) oder dichotom (das eine oder das andere)?

Csikszentmihalyi ging davon aus, dass man entweder im Flow ist oder eben nicht. Die meisten der aufgezeigten Studien gehen von einem Kontinuum aus. Die Sichtweise hat jeweils unterschiedliche Folgen bei der Interpretation erhobener Daten und der Forschungsfragen – zum Beispiel “Unter welchen Umständen empfindet mensch einen ‘leichten Flow’?

Csikszentmihalyi versuchte mit dem Konzept des Mini-Flow darauf einzugehen. Leider ist das nicht für alle Forschungsfragen eine geeignete Lösung.

Macht Flow glücklich? Ist mensch im Flow glücklich?

Da mensch im Flow keine oder eine geringe bewusste Selbstreflexion besitzt, kann im Flow auch keine/wenig Emotion bewusst reflektiert werden. Allerdings muss Emotion nicht immer bewusst rational reflektierbar sein, um wahrgenommen zu werden – wie zum Beispiel beobachtbar bei Tieren oder Säuglingen.

Charakteristika und Bedingungen von Flow werden nicht immer sauber getrennt

Csikszentmihalyi machte in seinen späteren Werken einen klaren Unterschied zwischen den Bedingungen, unter denen Flow entstehen kann und dem eigentlichen Empfinden von Flow. Viele Studien vermischen beides.

Das ist dann ein Problem, wenn man Flow erforschen und erklären möchte. Eine Forschungsfrage kann sein, inwieweit eine Änderung der Bedingungen zu mehr oder weniger Flow führt. Vermischt man beide Kategorien, ist eine kausale Erklärung schwieriger.

Subjektivität vs. Objektivität

Ein weiteres Problem scheint mir die Subjektivität bzw. Objektivität zu sein. Die Wahrnehmung von Flow ist immer subjektiv. Sind die Bedingungen ebenfalls subjektiv? Das würde heißen, dass es keinen objektiven Maßstab gäbe, was eine schwere oder leichte Aufgabe ist, was hohe oder geringe Fähigkeiten sind oder ob ein Ziel klar definiert ist. Sieht man sich zum Beispiel den Dunning-Kruger-Effekt an, ist anzunehmen, dass eine Person mit sehr geringen Fähigkeiten gar nicht einschätzen kann, wie hohe Fähigkeiten aussehen.

Denkstil als Einflussgröße

Nach dem Flow-Modell tritt Flow am stärksten auf, wenn Anforderungen und Fähigkeiten die größte Passung haben. Die Subjektivität bei der Einschätzung der Bedingungen beeinflusst jedoch das Flow-Erleben. Eine Zusammenfassung von Rheinberg, Vollmeyer und Engeser3 wird gezeigt, dass es einen weiteren Faktor geben müsste, und zwar “Besorgnis”. Menschen gehen unterschiedlich mit hohen Anforderungen um – je nach Persönlichkeit.

Ich würde das übertragen auf Optimismus/Pessimismus. Ein Pessimist wird unter Flow-Bedingungen eher in Besorgnis und Druck, als in Flow-Erleben kommen. Inwieweit das in der aktuellen Forschung berücksichtigt wird, habe ich nicht weiter verfolgt.

Was heißt das für die Praxis?

Das Flow-Konzept wird in den Quellen nicht grundsätzlich angezweifelt, sondern ergänzt und offene Forschungsfragen eröffnet. Ich sehe keinen Anlass, grundsätzlich am Modell zu zweifeln. Es ist aus meiner Sicht immer noch wissenschaftlich haltbar und pragmatisch sinnvoll. In Zuständen, in denen wir intrinsisch motiviert mit der Tätigkeit verschmelzen, zeigen wir unsere Stärken. Flow-Momente sind wertvoll für den Selbstwert und vieles mehr. Forschung ist nicht immer eindeutig und erst recht nicht endgültig. Ich freue mich auf weitere Erkenntnisse 🙂

  1. Investigating the “Flow” Experience: Key Conceptual and Operational Issues, Front. Psychol., 13 February 2020, https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2020.00158/full ↩︎
  2. Sami Abuhamdeh, Assistant Professor Istanbul Şehir University Istanbul, Türkiye ↩︎
  3. 2003, https://doi.org/10.23668/psycharchives.8590 ↩︎

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